Gastbeitrag - Reudnitz, Junior und der Sommer
Ulrike schreibt nicht nur einen sehr lesenswerten Elternblog, sie wohnt auch im Viertel. Da Sie befürchtet, dass die von Ihr geliebte Kleidertauschbörse mangels Nachfrage aufhört, sollte ich das ganze etwas promoten. Leider fiel mir dazu auf die Schnelle kein guter Teaser ein. Da hat sie sich gleich für einen ganzen Gastbeitrag über die Freizeitgestaltung mit kleinen Kindern in Reudnitz entschieden. Soll mir recht sein.
Es gibt zurzeit vermutlich nicht wenige
Eltern, die gern dankend auf den Knien rutschen würden, weil dieser September
etwas ermöglicht, was im November definitiv nicht mehr machbar ist. Es sind die
Stunden auf dem Spielplatz; ganze Nachmittage fliehen dahin, während man unter
einem Baum sitzt, Kaffee trinkt und weiß: mein Kind/meine Kinder spielen sich
gerade müde; einfach so, ohne, dass ich den Entertainer spielen muss. Es ist
Spielplatzwetter – hooray.
Als es vergangene Woche Montag regnete,
saßen vier Mütter bei uns im Spielzimmer. Es gab Tee und Kuchen, Obst für die
Kinder und jede Menge Kisten zum Ausräumen, Bauklötze und Stifte zum Wände
bemalen. Während sich der Windeleimer füllte und Himbeeren auf dem Boden
zermatscht wurden, sagte eine der Mütter: „Boah, mir graut es vorm Herbst. Was
macht man da denn mit den Kindern?“ Alle nickten und dachten voller fehlender
Freude an den Nachwuchs, den man selbst für den fünf Meter Weg zum Rewe wie für
eine Nordpol-Expedition einpacken muss, nur um ihn dann wieder auszuziehen und
dabei in vorgelutschte Banane zu fassen.
Der Sommer in der Hood gleicht einem Abenteuerspielplatz für die Kinder. Nun, der
Sohn guckt aber eben auch Nudeln mit Tomatensauce beim zehnten Mal essen an,
als sei es die neueste kulinarische Entdeckung. Kinder brauchen nicht sehr viel
Abwechslung; eine Weisheit, die vermutlich jedem Spielzeugfabrikanten den Magen
umdreht. Die Eltern hingegen sind schnell gelangweilt. Von meinem Logenplatz an
der Reudnitzer Flaniermeile war über den Frühling und den Sommer zu beobachten,
wie Mütter und Väter erst selber noch freudig mit Eimern und Schaufeln gen
Lene-Voigt-Park schlenderten, dann aber immer müder und - ja - gelangweilter
wurden.
Der Matschplatz im Park mag eine Entdeckung
sein; irgendwann kennt man dort aber auch jede Ecke des Baumstammes, den
richtigen Turnus, um möglichst viel Wasser aus der Pumpe zu holen und die komplette
Kaffeekarte des Kaffeedealers ums Eck. Während der Sohn bereits an der Ecke zur
Eilenburger Straße im Kinderwagen aufspringt und "Dada" schreit,
hoffe ich einfach nur inständig, dass heute keine Mutter das Gespräch sucht und
wenn, dann nur bitte eine von den netten!
Und auch die Shoppingtouren durch den Tedi
verlieren besonders zum Ende des Monats an Mehrwert. Während die Tochter
begeistert auf die bunte Wolle sieht, war der mannsgroße sitzende Bär eine Zeit
lang für den Sohn das Beste, was Reudnitz so zu bieten hat. Ich hingegen fragte
mich, ob die Verkäufer mich für eine schlechte und sehr auffällige Spionin
halten, weil ich doch täglich einmal mit den Kindern hindurchlaufe. Aber: So
bringt man immerhin fünf Minuten rum, lenkt den Sohn von den kommenden
Backenzähnen ab und die Tochter wird in ihrer Trage noch etwas mehr
durchgeschunkelt.
Die Freundin schwört aufs Eis essen gehen.
Da haben Eltern und Kind etwas davon, sagt sie. Einen Nachteil hat es
allerdings: Mittlerweile ist ihr Nachwuchs so trainiert im Eis essen, dass sie
sich nicht mehr mit "Okay, zwei Löffel darfst Du haben" abspeisen
lässt. Die Kleine verdrückt routiniert mittlerweile ganze Kugeln, Wassereis ist
für sie nichts.
Wichtig ist, immer einmal wieder ein
Highlight für die Eltern in den Alltag einzuplanen. Die Wassermelone mal im
Rewe und mal im Kaufland zu kaufen oder ganz mutig zu hoffen, dass der Norma
überhaupt einmal essbares Obst hat, reicht da nicht aus. Leid können einem da
beinahe die Menschen tun, die sich so viel Mühe mit dem Apothekergärtchen im
Friedenspark geben: dieser Ort der Ruhe und botanischen Finesse ist ein
hervorragender Badeort für Kinder unter sechs Jahren. Sieht man einmal vom
rutschigen Boden des Wasserlaufs ab (schult die Motorik und spart die Kosten
eines Mutter-Kind-Schwimm-Kurses), können die Junior-Reudnitzer dort spielen,
während die Mütter das Geplärre ("Dada!", "Eis!" oder
"Dadüüüüüühdadüüüh") ausblenden und sich am Rauschen der Blätter
erfreuen dürfen. Zumindest kurz.
Man könnte mit den Kindern natürlich auch
einmal eine Tour über die traurigsten Spielplätze des Stadtteils machen. Ganz
oben steht bei mir der Gipfel der Trostlosigkeit an der Witzgallstraße. Der
ansonsten sehr motivierte Sohn wollte dort nicht einmal aus dem Kinderwagen.
Und an dem eigentlich sehr schönen Platz an der Ecke Holsteinstraße/Oststraße
wollte ich ihn nicht in den Sand setzen, weil die Mülleimer überfüllt waren und
sich die ansonsten so nachhaltig denkende Bevölkerung in Reudnitz gedacht
hatte, dann den Müll eben weiträumig über Rutsche und Drehdings zu verteilen.
"Hier wird nur alle zwei Wochen saubergemacht", sagte eine Mutter,
die ihrem greinenden Sohn versprach, ein Eis zu kaufen, aber rutschen, nein,
rutschen könne er hier nicht.
Nunja: Um es zu einem Ende zu bringen - der
Winter wird hart, der Tedi vermutlich überlaufen und die Gesichter der Mütter
auf der Riebeckstraße werden immer trauriger und ratloser. Wohin nur mit den
Kindern in der Elternzeit, nach der Kita, am Wochenende? Wenn es selbst den
Eichhörnchen auf dem Ostfriedhof zu kalt ist, was bleibt einem dann noch? Die
Mütter, die vergangene Woche bei uns waren, sind sich einig, dass sie
"oft" bei uns sein werden. Zum Glück gibt es im Winter keine
Himbeeren. Die sind nämlich echt schwer aus den Dielenzwischenräumen zu kratzen.
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Und hier ein paar Veranstaltungstipps in
Reudnitz (und Umgebung) für die nächsten Tage, es soll ja kühler werden:
Donnerstag, 15. September:
Kleidertausch in der Mühlstraße 14. Der Unkostenbeitrag beträgt vier Euro. Wer
mitmachen möchte, bringt alte aber noch gute Kinderkleidung mit und kann sich
dafür etwas passendes mitnehmen. Wer keine Kleidung zum Mitbringen hat, spendet
etwas Geld.
jeden Freitag, ab 10.30 Uhr:
Krabbelgruppe in der Dresdner Straße 59 für Kinder ab 10 Monaten. Es wird
gesungen und gespielt, kostenlos.
Sonnabend, 17. September:
Internationales Tanzfest im Lene-Voigt-Park mit Lampionumzug, Kleinkindparcours
und den Kunstkoffern. Beginn ist 15.30 Uhr.
21. bis 25. September: 21.Leipziger Puppentheaterfest im Puppentheater Sterntaler in der Talstraße mit
verschiedenen Aufführungen für Kinder und Erwachsene. Kartenvorbestellung unter
0341 - 961 54 35.
Dienstag, 27. September, ab 14 Uhr:
Vorlesestunde in französischer Sprache in der Bibliothek Reudnitz für Kinder ab
sechs Jahren.
ABOUTME
Hi, ich bin Martin von Dunkel. Dreckig. Reudnitz. Seit ein paar Jahren lebe ich schon in diesem ganz besonderen Stadtteil. Warum also nicht darüber schreiben?
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